Zuhören, Präsenz und funktionaler Analyse, drei therapeutische Wege zur Begleitung
- Joselaine dos Santos Andrade

- 16. Apr.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 15. Juni
Wenn ein Kind in der psychologischen Praxis ankommt, kommt es selten allein. Es bringt Geschichten mit, manchmal unausgesprochen, Erwartungen, Sorgen und Gefühle, für die es noch keine Worte gibt. Annahme ist deshalb mehr als nur der erste Schritt, sie ist der Boden, auf dem die therapeutische Beziehung wachsen kann.
Je nach theoretischem Ansatz nimmt das erste Kennenlernen unterschiedliche Formen an. Doch alle teilen einen gemeinsamen ethischen Kern, das Kind in seiner Einzigartigkeit ernst zu nehmen und zu schützen.
Das Unausgesprochene hören, in der psychoanalytischen Praxis bedeutet Annahme, dem Kind zuzuhören, auch jenseits seiner Worte. Was es spielt, wiederholt oder verschweigt, kann Ausdruck unbewusster Wünsche und innerer Konflikte sein. Die analytische Haltung ist geprägt von einer offenen, nicht-wertenden Aufmerksamkeit: Sie lässt Zeit und Raum für das, was sich zeigen will, im eigenen Tempo des Kindes.
Auch die Worte der Eltern werden gehört, denn sie spiegeln oft eigene kindliche Erfahrungen, Ängste und übertragene Erwartungen wider. Der Beginn der Therapie ist hier eine Einladung zum freien Sprechen – für Groß und Klein.
Wirklich da sein, in der Gestalttherapie beginnt Annahme mit Präsenz. Das Hier-und-Jetzt steht im Mittelpunkt. Der Therapeut oder die Therapeutin begegnet dem Kind auf Augenhöhe, offen, authentisch und mitfühlend.
Nicht das Problem steht im Vordergrund, sondern der Kontakt das, was sich im Moment zwischen Kind und Begleitung entwickelt. Gefühle wie Wut, Trauer oder Unsicherheit werden nicht wegerklärt, sondern ernst genommen. So entsteht ein Raum, in dem sich das Kind gesehen und sicher fühlen kann.
Genau beobachten, um gezielt zu handeln, aus verhaltenstherapeutischer Sicht bedeutet Annahme zunächst eine präzise Beobachtung: Wie verhält sich das Kind? In welchen Situationen? Mit welchen Auslösern und Folgen?
Das Verhalten wird als Kommunikationsform verstanden nicht als Störung, die beseitigt werden muss. Durch funktionale Verhaltensanalysen kann ein individueller Therapieplan erstellt werden. Die Zusammenarbeit mit den Eltern ist hier besonders wichtig, um eine förderliche Umgebung auch außerhalb der Praxis zu gestalten.
Drei Perspektiven, ein gemeinsames Ziel. Ob psychoanalytisch, gestalttherapeutisch oder verhaltenstherapeutisch, alle drei Wege verfolgen ein Ziel: dem Kind zu ermöglichen, sich selbst zu zeigen, ohne Angst vor Bewertung.
In einer Welt, die Kindern oft zu viel Anpassung abverlangt, darf die therapeutische Praxis ein Ort sein, an dem sie einfach sein dürfen. Und das beginnt mit echter Annahme.
Hat dir dieser Beitrag gefallen?
Dies ist der erste Teil der Reihe Kinderpsychologische Praxis von A bis Z, in der ich jeden Buchstaben mit drei therapeutischen Perspektiven beleuchte: Psychoanalyse, Gestalttherapie und Verhaltenstherapie.
Im nächsten Beitrag geht es um Ä!





