Psychologische Perspektiven auf institutionelle Rollenkonflikte
- Joselaine dos Santos Andrade

- 12. Juli
- 2 Min. Lesezeit
Erfahrungen aus über 10 Jahren psychologischer Arbeit im interdisziplinären Feld in Deutschland.
In vielen sozialen oder bildungsbezogenen Einrichtungen ist Zusammenarbeit essenziell. Gerade in interdisziplinären Teams kann gegenseitige Unterstützung entscheidend sein. Doch was passiert, wenn sich diese Unterstützung schleichend in eine strukturelle Überforderung verwandelt?
Dieser Beitrag beleuchtet ein Phänomen, das in der institutionellen Praxis häufig vorkommt, aber selten klar benannt wird: die stille Verschiebung von Aufgaben und die psychologische Wirkung, die daraus entsteht.
Wenn Flexibilität zur Selbstverständlichkeit wird
In dynamischen Teamsituationen kann es vorkommen, dass Fachkräfte vorübergehend Aufgaben übernehmen, die nicht ihrem originären Zuständigkeitsbereich entsprechen etwa aus Teamgeist oder in personellen Engpasszeiten.
Problematisch wird es jedoch, wenn diese situativ gemeinte Flexibilität dauerhaft als gegeben angenommen wird, ohne Rücksprache, klare Kommunikation oder strukturelle Anpassung. Was als kollegiale Geste begann, wird zur impliziten Erwartung. Und wer dann Grenzen setzen möchte, läuft Gefahr, als unkooperativ wahrgenommen zu werden.
Nur wer seine Rolle und seinen Raum kennt, kann in echtem Kontakt mit dem Gegenüber treten. Wenn jedoch Rollen unklar bleiben, entstehen Spannungen im Feld sowohl individuell als auch institutionell.
Institutionen übertragen oft unausgesprochene Erwartungen auf bestimmte Personen etwa auf psychologische Fachkräfte, die „Halt geben“ sollen, selbst wenn das System instabil ist. Solche Übertragungen bleiben oft unbewusst entfalten aber eine starke Wirkung auf das Binnenklima.
Was einmal durch positive Rückmeldung verstärkt wurde, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut eingefordert.
Nur: Wenn das Verhalten (z. B. zusätzliche Aufgaben übernehmen) nicht mehr freiwillig, sondern erwartet wird, entsteht Stress, Frustration und oft auch Rückzug.
Professionelle Rollenklarheit im Team
Gerade in interdisziplinären Kontexten braucht es ein gemeinsames Verständnis über Aufgaben, Zuständigkeiten und professionelle Grenzen. Dabei geht es nicht um Abgrenzung aus Egoismus, sondern um strukturelle Klarheit, die allen Beteiligten Sicherheit gibt.
Ein Beispiel: Psycholog*innen sind nicht dafür da, Ausfälle in fachpraktischen Bereichen zu kompensieren auch wenn sie anwesend und engagiert sind. Ihre Aufgabe liegt im Bereich der Beobachtung, Reflexion, Krisenintervention und Begleitung nicht im operativen Ersatz anderer Berufsgruppen.
Strukturelle Unklarheiten erzeugen zwischenmenschliche Spannungen.
Nicht ausgesprochene Erwartungen führen zu Überforderung.
Verantwortung ohne Entscheidungsbefugnis untergräbt professionelle Identität.
Deshalb braucht es Räume, in denen Teams offen über Rollenverteilung, Belastung und Erwartungen sprechen können ohne Schuldzuweisungen, aber mit Klarheit. Nur so können wir nachhaltig und mit Herz und Kopf wachsen.
Wenn Sie ähnliche Erfahrungen gemacht haben oder diesen Beitrag in einem kollegialen Rahmen teilen möchten:
Schreiben Sie mir gerne oder bringen Sie das Thema in Ihr Team. Denn Gesundheit im Arbeitskontext beginnt mit gegenseitigem Verstehen und dem Mut, Dinge beim Namen zu nennen.
Crescer com emoção –
Mit Herz und Kopf wachsen





