Wenn innere und äußere Unordnung Teil des Weges sind
- Joselaine dos Santos Andrade

- 19. Apr.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 3. Mai
Chaos ist ein Wort, das in pädagogischen und therapeutischen Kontexten oft negativ konnotiert ist. Doch in der psychologischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist es ein zentraler Erfahrungsraum, ein Ausdruck von Übergängen, Überforderung, Entwicklung oder emotionaler Not. Chaos kann im Verhalten sichtbar werden, im Denken, in Beziehungen oder im Körpererleben. Therapeutisch betrachtet ist es kein Zeichen von Scheitern, sondern ein Hinweis auf Bewegung, Spannung und das Bedürfnis nach Ordnung.
In der psychoanalytischen Sichtweise verweist inneres Chaos häufig auf ungelöste Konflikte im Unbewussten, auf Übertragungen früher Erfahrungen oder das Fehlen stabilisierender innerer Strukturen. Das chaotische Verhalten eines Kindes kann dabei als Abwehrmechanismus gegen tieferliegende Ängste oder Spannungen verstanden werden. Die Aufgabe der Therapie besteht nicht darin, schnell Ordnung zu schaffen, sondern das innere Chaos haltend zu spiegeln, es zu deuten und Raum für Strukturentwicklung zu geben, in Beziehung, nicht durch Kontrolle.
Die Gestalttherapie begegnet Chaos mit Präsenz und Kontakt. Statt es zu analysieren oder zu ordnen, wird es im Hier und Jetzt wahrgenommen und gemeinsam durchlebt. Chaos wird als lebendige Energie gesehen, als etwas, das nicht „weg muss“, sondern gestaltet werden kann. Die Therapeut*in bleibt im Kontakt, auch wenn dieser unübersichtlich, widersprüchlich oder herausfordernd ist. So entsteht ein Raum, in dem das Kind seine eigenen inneren Ordnungen entwickeln darf im Tempo seiner Erfahrung.
In der Verhaltenstherapie wird Chaos oft als Ausdruck dysfunktionaler Reiz-Reaktions-Muster, fehlender Struktur oder Überforderung betrachtet. Ziel ist es, über gezielte Verhaltensanalysen herauszufinden, welche Auslöser und Verstärker das chaotische Verhalten aufrechterhalten. Mit klaren Strukturen, visualisierten Abläufen und alltagsnahen Trainings wird das Kind dabei unterstützt, neue Handlungsstrategien zu erlernen und mehr Kontrolle über sich und seine Umwelt zu gewinnen, ohne dabei seine Individualität zu verlieren.
Chaos ist kein Fehler, es ist ein Teil des Werdens
In einer Entwicklungsphase, in der viele Kinder und Jugendliche mit widersprüchlichen Anforderungen, inneren Spannungen und äußeren Umbrüchen konfrontiert sind, ist Chaos oft unvermeidlich. Die therapeutische Aufgabe ist nicht, es sofort zu beseitigen, sondern es anzuerkennen, zu begleiten und in Entwicklung zu überführen, mit Struktur, Empathie und professioneller Gelassenheit.
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