Innerer Vielfalt und äußerem Erwartungsdruck
- Joselaine dos Santos Andrade

- 3. Mai
- 2 Min. Lesezeit
Identität ist keine feste Größe, sondern ein fortlaufender Prozess besonders in Kindheit und Jugend. Wer bin ich? Wer darf ich sein? Und wie passen Selbstbild und Fremdbild zusammen? In der psychologischen Arbeit mit jungen Menschen ist Identitätsentwicklung ein zentrales Thema, sie zeigt sich in Rollenfragen, Selbstwert, Gruppenzugehörigkeit und im Umgang mit Erwartungen. Therapie unterstützt diesen Prozess nicht, indem sie „definiert“, sondern indem sie begleitet, stärkt und Raum gibt zur Selbstentfaltung.
In der Psychoanalyse wird Identität als Ergebnis intrapsychischer Prozesse verstanden, die sich aus frühen Beziehungserfahrungen, Identifizierungen und Abwehrmechanismen entwickeln. Der Aufbau eines stabilen Ichs erfordert die Integration widersprüchlicher innerer Anteile und die Bewältigung unbewusster Konflikte. Die therapeutische Arbeit eröffnet einen Raum, in dem das Kind sich mit seinen inneren Bildern, Loyalitäten und Ängsten auseinandersetzen kann, unterstützt durch die reflektierende und haltende Beziehung zur Therapeut*in.
In der Gestalttherapie wird Identität als dynamischer Gestaltungsprozess verstanden, der im Kontakt entsteht. Das Kind ist kein passives Produkt von Erfahrungen, sondern ein aktives Wesen, das sich in jeder Begegnung neu definiert. Die therapeutische Beziehung bietet einen sicheren Rahmen, in dem Kinder mit ihrer Vielfalt experimentieren dürfen, ohne bewertet zu werden. Identität zeigt sich hier im authentischen Selbstausdruck, im Spannungsfeld zwischen Anpassung und Selbstbehauptung.
Die Verhaltenstherapie betrachtet Identität aus funktionaler Sicht, als erlerntes und stabilisiertes Muster von Selbstzuschreibungen, Verhaltensweisen und Reaktionen auf soziale Rückmeldungen. Kinder und Jugendliche entwickeln ihr Selbstbild unter dem Einfluss von Verstärkung, Modelllernen und Umweltbedingungen. In der Therapie werden alternative, stärkende Selbstdefinitionen gefördert, soziale Kompetenzen trainiert und dysfunktionale Überzeugungen hinterfragt. Ziel ist es, die Selbstwirksamkeit und Selbstannahme im Alltag zu stärken.
Identität braucht Raum und Beziehung. Junge Menschen stehen unter dem Druck, sich „zu definieren“, während sie sich gleichzeitig noch in einem offenen Entwicklungsprozess befinden. Psychologische Begleitung bedeutet, Schutzräume für Selbstsuche und Vielfalt anzubieten , frei von Pathologisierung und Rollenzwang. Identität darf widersprüchlich, unfertig, wandelbar sein, solange sie gesehen und begleitet wird.
Nächster Artikel: J wie Jugend, Abgrenzung, Aufbruch und innerer Ambivalenz.
Crescer com emoção –
Mit Herz und Verstand wachsen





