Ein Blick von Brasilien - Psychische Gesundheit braucht mehr als gute Absicht
- Joselaine dos Santos Andrade

- 11. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 12. Juni
In vielen Regionen besonders in Ländern mit strukturell schwachen Versorgungssystemen werden Schulen zunehmend zur ersten Anlaufstelle für psychische Belastungen bei Kindern und Jugendlichen. Lehrerinnen, Schulsozialarbeiterinnen und pädagogisches Personal erleben täglich Kinder mit Ängsten, Überforderung, depressiven Symptomen, Verhaltensauffälligkeiten oder stiller Verzweiflung. Sie beobachten, hören zu, greifen ein oft intuitiv, manchmal auch über ihre fachliche Rolle hinaus.
Doch bei aller Wichtigkeit: Schulen sind keine therapeutischen Einrichtungen.
Zwischen Verantwortung und Überforderung
Die Realität zeigt Schulpersonal wird immer häufiger mit komplexen psychischen Belastungen konfrontiert und steht damit unter Druck. Einerseits besteht eine enge Beziehung zu den Schüler*innen, die Vertrauen ermöglicht. Andererseits fehlen oft Fachwissen, institutionelle Unterstützung und klare Strukturen, um mit psychischen Krisen professionell umzugehen.
Viele Lehrer*innen fühlen sich verantwortlich, aber hilflos. Sie erkennen, dass ein Kind leidet doch sie wissen nicht, wie sie angemessen reagieren sollen. Oft müssen sie Entscheidungen treffen, ohne Rückhalt durch psychologische Fachkräfte, mit vollen Klassen, engem Zeitplan und systemischer Unterbesetzung.
Wenn Schule zur Ersatztherapie wird. In Ländern wie Brasilien aber nicht nur dort wird die Schule durch strukturelle Lücken im Gesundheitssystem zur faktischen Ersatztherapie. Der Zugang zu psychologischer Diagnostik, Therapie oder Krisenintervention ist oft erschwert, Wartezeiten sind lang, und Fachstellen wie die CAPSi (Centro de Atenção Psicossocial Infantil) sind unterfinanziert oder schwer erreichbar.
Lehrer*innen übernehmen Aufgaben, für die sie nicht ausgebildet wurden. Emotionale Betreuung, Traumaerkennung, Krisenbegleitung all das findet im Klassenzimmer statt, weil es sonst niemand macht.
Ein System am Limit. Diese Entwicklung ist gefährlich für die betroffenen Kinder, aber auch für das Schulpersonal selbst. Die emotionale Dauerbelastung, das Gefühl von Ohnmacht, das ständige Abwägen zwischen Fürsorge und Leistungsdruck hinterlassen Spuren. Burnout, Frustration und Rückzug sind keine Seltenheit. Der Wunsch, „etwas Gutes zu tun“, verwandelt sich zu oft in Überlastung.
Was es braucht
Psychologische Fachkräfte in jeder Schule - nicht als Luxus, sondern als Mindeststandard.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit mit psychosozialen Netzwerken, Kliniken und Gemeinden.
Fortbildungen für Schulpersonal im Umgang mit psychischer Gesundheit ohne sie zu überfordern.
Politische Maßnahmen, die Schulen entlasten, statt sie mit weiteren Aufgaben zu überhäufen.
Öffentliche Anerkennung für die Rolle, die Lehrer*innen bereits jetzt leisten oft im Stillen.
Schulen sind zentrale Orte des sozialen Lebens und können sehr wohl erste Signale erkennen doch sie dürfen nicht die letzten sein. Wer psychische Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen ernst nimmt, muss die Schule stärken nicht mit Appellen, sondern mit Strukturen, Ressourcen und Respekt.
Crescer com emoção –
Mit Herz und Kopf wachsen





