Das Unplanbare in der therapeutischen Begegnung
- Joselaine dos Santos Andrade

- 27. Mai
- 2 Min. Lesezeit
In der psychologischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gibt es Momente, die sich nicht erklären, planen oder systematisieren lassen. Diese unerwarteten Augenblicke intuitiv, widersprüchlich, manchmal berührend oder irritierend sind Teil des sogenannten X-Faktors das, was zwischen den Methoden geschieht. Inmitten von Fachlichkeit und Struktur bleibt die therapeutische Beziehung immer auch ein lebendiger, unvorhersehbarer Raum.
In der Psychoanalyse wird das Unplanbare oft als Teil der Übertragungs- und Gegenübertragungsdynamik verstanden. Der X-Faktor zeigt sich dort, wo das Unbewusste wirksam wird in einem Wort, einem Blick, einer Wiederholung. Diese Phänomene können nicht gezielt herbeigeführt werden, aber sie prägen den Prozess tiefgreifend. Die therapeutische Haltung ist daher offen für das Unerwartete, für emotionale Verschiebungen und Bedeutungen, die sich erst im Nachhinein erschließen. Der X-Faktor wird hier als ein Moment verstanden, in dem sich das Unbewusste in der Beziehung manifestiert nicht steuerbar, aber bedeutsam.
In der Gestalttherapie gehört das Unerwartete ausdrücklich zum Prozess. Der X-Faktor ist kein Störfaktor, sondern eine Ressource für Begegnung und Veränderung. Es sind oft gerade die spontanen, nicht geplanten Kontaktmomente, die eine neue Gestalt ermöglichen. Die Therapeut*in bleibt präsent im Hier und Jetzt, ohne sich an einem festen Plan festzuhalten. Intuition, Resonanz und Spontanität sind zentrale Elemente der Arbeit nicht statt Professionalität, sondern als Teil einer ganzheitlichen Präsenz im therapeutischen Raum.
Auch in der Verhaltenstherapie, die stark struktur- und zielorientiert arbeitet, gibt es Raum für das Unplanbare. Der X-Faktor zeigt sich hier etwa in der Art, wie ein Kind auf eine Intervention reagiert, wie Beziehungen entstehen oder wie Motivation plötzlich wächst ohne klare Ursache. Verhaltenstherapeut*innen achten zunehmend auf Kontextsensibilität, Beziehungsgestaltung und das Einbeziehen nicht messbarer Einflussfaktoren. So entsteht eine Praxis, die offen bleibt für das, was sich nicht berechnen, aber sehr wohl begleiten lässt.
Der X-Faktor macht Therapie menschlich
Zwischen Planung, Methode und Struktur liegt ein Raum, in dem das Unvorhersehbare wirken darf. Der X-Faktor steht für das, was lebendig ist jenseits der Technik. In der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen bedeutet das, zuhören, da sein, reagieren und offen bleiben für das, was nicht in Lehrbüchern steht, aber mitten im Prozess geschieht.
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